In die Alternativlos-Falle getappt? Sechs Schritte, wie man ihr wieder entkommt

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Gastbeitrag des Instituts für Strategie & Planung

Die Stadt Minden verfügt am Rampenloch über Areal mit historischer Chance. Doch statt diese Chance aktiv anzugehen, setzen die Verantwortlichen lieber auf ein uninspiriertes Allerwelts-Konzept – auch, weil man es versäumt hat echte Alternativen überhaupt anzudenken.

„In die Alternativlos-Falle getappt“ nennt das der Hamburger Strategieberater Edgar Wilkening. Ein Fehler, der Organisationen immer wieder passiert – und Millionen an unnötigem Schaden verursacht.

In seinem zweiten Gastbeitrag für die Quartierplaner (den ersten finden Sie hier) erläutert der Strategie-Experte, welche Ursachen in die „Alternativlos-Falle“ führen – und wie sich Organisationen dagegen wappnen können.

Strategieberater Edgar Wilkening

Edgar Wilkening lebt in Hamburg und Minden an der Weser. Als Strategie-Entwickler und Kommunikations-Experte bundesweit gefragt bei Marken und Unternehmen. Kopf des in Gründung befindlichen Instituts für Strategie & Planung.

E-Mail: ew@strategieundplanung.de

Würden Sie bei einem Bäcker einkaufen, der nur eine Sorte Brötchen anbietet?

Stellen Sie sich vor, Sie wollen fürs Sonntagsfrühstück frische Brötchen besorgen. Die Bäckerei, die Sie aufsuchen, bietet aber nur eine einzige Sorte Brötchen an – und auch sonst nichts anderes. Was würden Sie tun?

Wenn Sie in großer Not sind (z.B. unter extremem Zeitdruck), würden Sie notgedrungen die entsprechende Anzahl Brötchen der einen Sorte kaufen – fertig.

In allen anderen Fällen, also ohne Not, würde es jeder von uns wohl so machen: den Laden verlassen und die nächste Bäckerei gleich um die Ecke ansteuern, wo eine breite Auswahl unterschiedlichster Brötchen angeboten wird.

Was uns im Privatleben vollkommen logisch und selbstverständlich erscheint, wird im professionellen Kontext von Unternehmen und Organisationen oft sträflich vernachlässigt.

Dort passiert es immer wieder, dass man – bildlich gesprochen – beim Bäcker mit nur einer Sorte Brötchen einkauft. Und am Ende noch glaubt, man habe „die beste Wahl“ getroffen. In Wahrheit dagegen ist man in die gefährliche Alternativlos-Falle getappt. Und das kann sich bitter rächen.

Ganz so scheint es auch den Entscheidern der Stadt Minden ergangen zu sein. Am Rampenloch verfügt die Stadt über ein Areal, das nach Meinung der Quartierplaner eine historisch einmalige Chance zur Stadtentwicklung bietet.

Nur eine einzelne Strategie auf dem Tisch? Das ist der Stoff, aus dem Alternativlos-Fallen gebaut werden

Strategie: Die Alternativlos-Falle am Beispiel Früchte

Selbst wenn es nur eine „ganz gewöhnliche Chance“ wäre, sollte man erwarten, dass bei der Neuentwicklung des Areals mehrere grundlegend alternative Szenarien angedacht und geprüft würden – statt sich mit „einer Sorte Brötchen“ abspeisen zu lassen.

Auf dem Tisch der Entscheider lag allem Anschein nach aber nur ein Konzept mit einer klaren Ausrichtung. Echte Alternativ-Konzepte wurden offenbar gar nicht angedacht, nicht geprüft, nicht erwogen, nicht angefordert – ja, nicht mal für möglich gehalten. 

Immerhin, möchte man sagen, das eine Konzept lag in drei Varianten vor, die sich marginal unterscheiden. Aber genau das ist – neben äußerem Druck, mangelnder Visionskraft und schlichter Inkompetenz – eine der häufigsten Ursachen, warum Entscheider ganz arglos in die Alternativlos-Falle tappen: das trügerische Gefühl, eine Auswahl zu haben, fachmännisch abwägen zu können und dann kompetent „die beste Wahl“ treffen zu dürfen – obwohl es im Kern gar keine echten Unterschiede gibt.

Denn in Wahrheit bewegen sich die Wahlmöglichkeiten auf dem Niveau von grüner Apfel, roter Apfel, gelber Apfel. Keine elementaren Abweichungen. Keine echten Alternativen. Keine Option auf Ananas, Bananen, Orangen, Birnen, Melonen, Mangos, Erdbeeren – und mehr.

Der Entscheidungs-Korridor ist im Vorfeld schon verengt auf Äpfel – und lässt tatsächliche Alternativen gar nicht mehr ins Blickfeld geraten. Es ist die kleine Schwester der Alternativlos-Falle: nett anzusehen, gibt Entscheidern ein gutes Gefühl – aber mindestens so gefährlich wie ihr großes Pendant.

Strategie: Die Alternativlos-Falle am Beispiel Früchte

Die kleine Schwester der Alternativlos-Falle. Scheinbare Wahlmöglichkeit zwischen drei sehr ähnlichen, im Kern aber identischen Varianten. Fühlt sich für Entscheider gut an: nach echter Wahlmöglichkeit. Als Falle dadurch umso gefährlicher.

Teuer, riskant, verhängnisvoll – Entscheidungen in der Alternativlos-Falle entpuppen sich später oft als Desaster

Entscheidungen in der Alternativlos-Falle sind äußerst riskant und können höchst kostspielig werden. Nämlich dann, wenn sie sich als Rohrkrepierer entpuppen, als glatte Fehlentscheidung.

Dann drohen entgangene Gewinne, eklatante Folgekosten, gravierende Markt- und Imageverluste. Organisationen tun also gut daran, alles daran zu setzen nicht in die Alternativlos-Falle zu tappen.

Aber was, wenn es schon passiert ist? Was, wenn man – wie in Minden offenbar der Fall –, längst hineingetappt ist? Wie kann man der Alternativlos-Falle wieder entkommen?

Sechs Schritte um zu retten, was noch zu retten ist

1. Aktivieren Sie den internen Krisen-Modus

Wenn Sie feststellen, dass Sie oder Ihre Organisation in eine Alternativlos-Falle getappt sind, ist schnelles und entschlossenes Handeln gefragt. Verlieren Sie keine Zeit. Aktivieren Sie den internen „Krisen-Modus“. Er dient dazu, rasche und umsichtige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Gewohnte Abläufe und geübte Prozedere helfen in der Regel kaum weiter. Nichts ist jetzt wie „sonst immer“. Agieren Sie überlegt, auch unkonventionell, aber entschlossen und schnell.

2. Trommeln Sie alle Beteiligten zusammen

Informieren Sie umgehend alle beteiligten Abteilungen über die Situation. Versammeln Sie die entscheidenden Personen an einem Tisch und erläutern Sie die Dringlichkeit von Gegenmaßnahmen. Stellen Sie klar, dass Ihre Organisation bis zur Lösung der Situation im Krisen-Modus agiert. Erstellen Sie mit den Beteiligten einen Notfall-Maßnahmenplan und vereinbaren Sie, wer davon welchen Teil sofort bzw. innerhalb welcher Frist umsetzt.

3. Stoppen Sie unverzüglich alle nachfolgenden Prozesse

Entscheidungen, die in die Alternativlos-Falle führen, sind in der Regel mit Folge-Maßnahmen verbunden: Einkäufe, Personalveränderungen, Ressourcenverlagerungen etc. Ob intern vergeben oder extern beauftragt: Legen Sie alle Nachfolgeprozesse sofort auf Eis und informieren Sie die entsprechenden Stellen bzw. Partner darüber. Anderenfalls könnten durch Folge-Maßnahmen, die „längst erledigt“ sind, Fakten geschaffen werden, die weitere Kosten oder Risiken verursachen.

4. Fordern Sie alternative Szenarien ein

Fehlende Alternativen waren die Falle – der Weg hinaus führt über Alternativen, die dringend auf den Tisch müssen. Fordern Sie sinnvolle Alternativ-Szenarien ein. Ziehen Sie unbedingt in Betracht, dass diejenigen, die mit ihrem einen Szenario überhaupt erst in die Falle geführt haben, nicht in der Lage sein könnten, die Aufgabe zu bewältigen. Beauftragen Sie zuverlässige, hochkarätige Fachleute mit der Aufgabe. Externe Experten haben den Vorteil, unbelastet vom Vorprozess an die Aufgabe heranzugehen. Statten Sie sie mit allen erforderlichen Ressourcen aus (Zeit, Budget, Insights). Sehr wahrscheinlich, dass dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Immer noch günstiger als Fehlentscheidungen über Jahre durchzuziehen.

5. Finden Sie die Gründe heraus, die in die Falle führten

Ermitteln Sie die Gründe, die in die Alternativlos-Falle geführt haben. Waren es Überforderung oder Inkompetenz? Waren es mangelnder Wille, mangelnde Erfahrung? Gibt es noch andere Gründe? Steckte Absicht dahinter? Stellen Sie die Frage „Wem nützt die Entscheidung, die in die Falle führte?“ Gibt es womöglich Hinweise auf Verstrickungen oder Absprachen? Identifizieren Sie Beteiligte, die durch persönliche Interessen, mangelnde Erfahrung oder Inkompetenz belastet sind und eine Gefahr für das Projekt darstellen könnten. Schließen Sie sie rigoros vom weiteren Prozedere aus.

6. Checken Sie andere Projekte in Ihrer Organisation

Wenn Sie mit einem Projekt in die Alternativlos-Falle getappt sind, besteht das Risiko, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt – und andere Projekte Ihrer Organisation ebenfalls davon betroffen sind. Überprüfen Sie aktuelle Projekte darauf bzw. sensibiliseren Sie die Projektverantwortlichen dafür. Falls Sie festellen, dass andere Projekte ebenfalls betroffen sein könnten, ergreifen Sie dort ebenfalls die entsprechenden Maßnahmen, um unkalkulierbare Risiken zu vermeiden.

Konkreter Hinweis zum Schluss: Wie Politik und Verwaltung der Stadt Minden beim Rampenloch von vornherein hätten vermeiden können, in die Alternativlos-Falle zu tappen, und wie ein sinnvoller Prozess ausgesehen hätte, um das Areal zu entwickeln, hat Quartierplanerin Astrid Engel in ihrem Beitrag „Was nun? Was tun? Wie weiter in Sachen Rampenloch?“ sehr genau und einleuchtend beschrieben. 

Edgar Wilkening